DER SPIEGEL 34/1969 vom 18.08.1969, Seite 61
RÜSTUNG / KRAFTKARREN
Schnurrendes Ding
Er hat vier Räder wie ein Auto, Kettenantrieb wie ein Fahrrad und
Geländegängigkeit wie ein Panzer. Er läßt sich in 30 Sekunden zusammenklappen,
im Flugzeug verstauen, unter Hubschrauber hängen oder mit Schlauchbooten über
Flüsse setzen. Bonns Bundeswehr bekommt ein neues Wunderfahrzeug: den
Kraftkarren ("Kraka"). Schon vor sechs Jahren konzipiert, fiel die allgemeine
Einführung bei den Streitkräften zunächst dem Panzer-Ehrgeiz der letzten
Heeres-Inspekteure zum Opfer.
Erst seit Generalleutnant Albert Schnez die Mittelgebirge an der Ostgrenze
mit Jäger-Bataillonen verteidigen will, ist in der Armee die Kraka- Zeit
gekommen: Der Inspekteur verfügte die Anschaffung der je nach Ausführung bis zu
7000 Mark billigen Primitivkarren für die Bundeswehr.
Nur Luftwaffe und Fallschirmjäger waren schon bisher vereinzelt Kraka-Kunden.
Für die einen schleppte er auf Feldflugplätzen "Starfighter", Fiat-Jagdbomber
und Hubschrauber aus der Deckung an den Start. Die anderen schätzen ihn als
"Wegwerfauto", das besonders gut in Flugzeuge zu verladen ist.
Besonders mögen es die Landser aller Waffenfarben, daß zwei von ihnen
genügen, um das simple Mobil aus dem Dreck zu zerren, sollte es einmal im
Schlamm festsitzen. Selbst aus dem Wasser gezogen, läuft es nach kurzer
Inspektion unverdrossen weiter.
In ziviler Ausführung tuckern die Krakas schon lange: unter Tage in den
Kalibergwerken Niedersachsens, beim Schneeräumen und Sandstreuen für kommunale
Behörden sowie als Lastesel in der Land- und Forstwirtschaft.
Konstrukteur und Hersteller, Georg Behrmann und die Faun-Werke Nürnberg,
machen sich noch aus anderem Grund Hoffnung auf gute Geschäfte: Die Bundeswehr
steht kurz vor der Umrüstung auf eine neue Kfz-Generation, in der ein sehr
kleines geländegängiges Fahrzeug nicht mehr vorgesehen ist.
Kraka-Vater Behrmann sieht deshalb bereits die Klapp-Karren mit ihrer
Steigfähigkeit von 60 Prozent in die vorhandene Lücke klettern: "Immmerhin habe
ich schon würdige Generale mit dem Kraka jauchzend in der Ferne verschwinden
sehen." Behrmann über seinen Landser-Go-cart: "Ein schnurrendes Ding, das Männer
wieder zu Kindern macht."
Derzeit schnurren 50 der anspruchslosen Kraftprotze in einem
Truppengroßversuch bei der 1. Luftlande-Division. Ihre Bewährungsprobe bestanden
sie im Griechenland-Manöver "Olympic Express", wo sich das deutsche
Fallschirmjäger-Bataillon 262 mit seinen Krakas trotz einiger erheblicher Mängel
(SPIEGEL 27/1969) nach dem Urteil des italienischen Chefs der Nato-Feuerwehr,
General Alberto Li Gobbi, als beste Einheit erwies.
Nach der Schnez- Entscheidung werden nun Im kommenden Jahr zunächst alle
Luftlandeverbände, später auch die leichten Jäger-Bataillone mit Kraftkarren
ausgestattet.
Jeder Kraka kann an das
Sthttp://www.autobild.de/test/neuwagen/artikel.php?artikel_id=11101gt und mit
einer Geschwindigkeit bis zu 80 Kilometer pro Stunde geschleppt werden. Nahe dem
Gefechtsfeld erst kuppelt der Fahrer den Kraka ab, die Gruppe steigt um "und
fährt nun die Brötchen aus" (Behrmann), wobei statt neun auch mal zwölf oder gar
16 Landser aufsitzen können. Der Zweitaktmotor aus dem alten 400er Goggomobil
schafft das -- mit Geschwindigkeiten bis zu 50 Stundenkilometer.
Die Truppe freilich hätte gern einen stärkeren Antrieb: Am Berg, besonders
aber im Schnee kommt der Karren ins Schnaufen.
Verschiedene Rüstsätze funktionieren den Kraka (Eigengewicht 530 kg, reguläre
Nutzlast 950 kg) um
>zum Panzerjäger mit 106-mm-Leichtgeschütz, zum Mörser- oder
Raketenträger,
* zur Funk- und Feuerleitstelle und zur Selbstfahrlafette für die
20-mm-Flak.
Gleichwohl ist der "Panierwagen mit Motor" (Behrmann) von nahezu russischer
Rüstungs-Einfachheit und läßt sich zur Not mit Behelfsmitteln reparieren: Als
jüngst ihr Konstrukteur per Kraka im Allgäu über einsame Waldwege ratterte,
brach der Stift zwischen Schaltgestänge und Getriebewelle ab. Techniker Behrmann
war ohne Werkzeug, doch zufällig kam ein übender Einzelkämpfer der Bundeswehr
durchs Gebüsch.
Der Bundes- Ranger trug Löffel und Gabel bei sich -- und damit behoben die
beiden den Schaden. Ein Gabelzinken als Ersatz-Stift machte den Kraka wieder
flott.